Dienstag, November 12

GREEN BOOTS im Einsatz für den Regenwald

 

Sie sind Lebensraum für unzählige Arten von Pflanzen und Tieren. Sie sind Lebensgrundlage für 1.6 Milliarden Menschen. Sie regulieren regionale und globale Wasserkreisläufe. Und sie sind gigantische Kohlenstoffspeicher:
die Regenwälder. Trotzdem werden sie weltweit weiter abgeholzt. Im Interview erläutert die Naturschutzbiologin Simona Kobel, welche nicht zu unterschätzende Rolle die Schweiz dabei spielt.

Interviewpartnerin: Simona Kobel

 

PRESTIGE BUSINESS: Frau Kobel, wie steht es heute um die Regenwälder?

Simona Kobel: Leider werden Regenwälder noch immer stark abgeholzt. Allein 2023 wurden 3.7 Millionen Hektar wertvoller tropischer Primärwald zerstört. Das sind zehn Fussballfelder Wald pro Minute, die den Motorsägen, Bulldozern und Brandrodungen zum Opfer fallen. Brasilien sowie die Demokratische Republik Kongo, Bolivien und Indonesien sind diejenigen Länder mit dem höchsten Waldverlust.1

 

Was sind die Folgen der Regenwaldabholzung?

Die Folgen der Regenwaldzerstörung sind schwerwiegend für die Menschen, Tiere und Pflanzen in den Regenwaldländern. Sie alle verlieren ihren Lebensraum, ihre Lebensgrundlage und ihre Heimat. Wir könnten denken: Der Regenwald ist weit weg, das betrifft uns nicht. Doch wir sind direkt von der Regenwald- abholzung betroffen. Denn die Vernichtung von Regenwäldern verschärft die Klimakrise, stört den globalen Wasserkreislauf, vernichtet unerforschte medizinische Wirkstoffe und bedroht unsere Ernährungssicherheit.

 

Warum wird denn so viel Regenwald zerstört?

Eine der Hauptursachen für die Regenwaldzerstörung liegt bei der industriellen Landwirtschaft. Sie rodet Flächen für den Anbau von Futtermitteln wie Soja, für riesige Palmölplantagen und andere Agrarrohstoffe oder für Viehweiden. Aber auch der Holzeinschlag für die Möbel- und Holzindustrie und unzählige Bergbau- und Infrastrukturvorhaben wie Staudämme für die Stromgewinnung sind für die Schädigung der Regenwälder verantwortlich. Es ist aber zu einfach, mit dem Finger auf die Bauern, Förster und Länder zu zeigen, in denen die Abholzung stattfindet. Denn wir in den reichen Industrieländern befeuern die riesige Nachfrage nach Produkten aus Regenwaldländern und importieren damit nicht nur die Regenwaldzerstörung, sondern auch die allmähliche Zerstörung unserer eigenen Natur. Die Schweiz importiert beispielsweise grosse Mengen Futtermittel für die übergrossen einheimischen Nutztierbestände, diese wiederum produzieren übermässig viel Gülle, die auf unseren Feldern ausgebracht wird und damit zur Überdüngung unserer eigenen Ökosysteme wie der Wälder oder Moore führt.

Welche Verbindungen gibt es sonst noch zwischen der Schweiz und dem Regenwald?

Die Schweiz ist enorm abhängig vom Import vieler Güter aus Regenwaldländern. Kakao, Kokosnuss, Kaffee, Palmöl, Zellstoff für Papier, Soja, Zuckerrohr und Holz – um den jährlichen Bedarf der Schweiz an diesen acht forst- und landwirtschaftlichen Rohstoffen zu decken, wird mehr als die Hälfte der Fläche der Schweiz im Ausland benötigt. Fast ein Viertel des Flächen-Fussabdrucks der Schweiz liegt in Ländern mit hohem oder sehr hohem Risiko bezüglich Entwaldung. Dabei werden zwei Drittel der Importe für den Konsum innerhalb der Schweizer Landesgrenzen benötigt. Ein Drittel entfällt auf internationale Grossunternehmen mit Firmensitz beziehungsweise Niederlassung in der Schweiz, welche mit land- und forstwirtschaftlichen Rohstoffen handeln und diese weiter exportieren. Dadurch sind der Einfluss und die Verantwortung der Schweiz grösser, als es allein durch den Konsum den Anschein macht.2

 

So wird zum Beispiel jede dritte Kaffee- oder Kakaobohne von Schweizer Händlern gehandelt. Mit dem Import, Handel und Konsum von Gütern aus Regenwaldländern nehmen wir bewusst die Entwaldung und damit den Verlust der biologischen Vielfalt in Kauf. Wir sind mitverantwortlich für immense Treibhausgasemissionen, Menschenrechtsverletzungen, Landenteignungen, die Verletzung der Rechte indigener Völker, Kinderarbeit und den Einsatz von schädlichen Pestiziden, Herbiziden und Dünger. Damit leben wir auf Kosten anderer Erdteile und künftiger Generationen.

 

Welche Hebel gibt es, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Unser Einfluss auf die Regenwaldzerstörung und unsere Verantwortung für den Erhalt der Regenwälder sind gross. Dies lässt sich anhand des Beispiels der Schweizer Finanzwirtschaft gut aufzeigen. Schweizer Banken, Vermögensverwalter, Pensionskassen oder Versicherungen finanzieren oder versichern Unternehmen, welche direkt an der Produktion, dem Handel und der Verarbeitung von Agrarprodukten wie Soja, Holz, Palmöl oder Rindfleisch beteiligt sind. Deren Produktion treibt die globale Abholzung stark voran.3 Die Initiative «Forests and Finance»4 analysierte Finanzierungen von 300 Unternehmen, die ein hohes Risiko aufweisen an der Abholzung beteiligt zu sein. Die Schweiz steht an 13. Stelle von 69 Ländern, was die Gesamtfinanzierung solcher Unternehmen durch Schweizer Finanzinstitute angeht. Bei der Finanzierung von Rindfleisch und Palmöl liegt die Schweiz gar auf den Plätzen sieben und zehn. Durch die Steuerung von Finanzflüssen in nachhaltige Aktivitäten hätte die Finanzbranche grosses Potenzial, die Wirtschaft umwelt- und klimafreundlich zu gestalten. Dies wäre auch im Interesse der Finanzwirtschaft, denn eine nicht nachhaltige Geschäftspraxis birgt grosse Risiken. Umweltschäden haben einen direkten Einfluss auf die Rendite. Es kommt zu Gewinn- und Aktienrenditeneinbussen. Beispielsweise reduzieren Dürren als Folge der Klimaerhitzung die Ernteerträge. Das wiederum hat Einfluss auf die Gewinne und die Kreditzahlungen der anbauenden und weiterverarbeitenden Unternehmen.

Was können wir in unserem Alltag für den Regenwaldschutz tun?

Regenwaldschutz beginnt bereits im Einkaufskorb. Sie können Ihren Konsum von Regenwaldprodukten wie Kaffee, Kakao und tropischen Früchten reduzieren. Wenn Sie dennoch Regenwaldprodukte konsumieren, wählen Sie fair gehandelte Bio-Produkte. Meiden Sie auch Produkte, die Palmöl enthalten, beispielsweise Margarine, Fertigprodukte und Süssigkeiten. Was viele nicht wissen: Auch in Kerzen, vielen Kosmetika und Waschmitteln ist Palmöl enthalten. Für Ölpalm-Plantagen werden vor allem in Indonesien und Malaysia riesige Regenwaldflächen gerodet. Reduzieren Sie Ihren Fleischkonsum und wählen Sie Fleisch aus Schweizer Bio-Produktion. Kaufen Sie Holzprodukte aus einheimischen Holzarten mit FSC-Siegel, das nachhaltig produziertes Holz kennzeichnet. Nutzen Sie Ihr aktuelles Handy und andere elektronische Geräte so lange wie möglich und geben Sie alte Handys und Elektrogeräte an Recyclingstellen ab. Technische Produkte enthalten seltene Edelmetalle wie Gold und Kupfer. Diese kommen meist nur in tropischen Wäldern vor. Ihr Abbau verursacht grosse Schäden im Regenwald. Und ganz wichtig: Investieren Sie Ihr Geld nachhaltig und fordern Sie dies auch von Ihrer Pensionskasse oder Versicherung. Wählen Sie Politiker*innen, die sich konsequent für die Umwelt einsetzen.

 

Sie haben die Regenwaldschutzorgani- sation GREEN BOOTS gegründet. Wie kam es dazu?

Das Ökosystem Regenwald fasziniert mich seit meiner Kindheit. Nach meinem Biologiestudium war es darum mein grösster Wunsch, den Regenwald hautnah zu erleben. So arbeitete ich längere Zeit in Südamerika, unter anderem auch in Regenwaldschutzprojekten. Zurück in der Schweiz wollte ich mehr tun, als nur zu spenden. Zudem fehlte es hier in der Schweiz an einer Regenwaldschutzorganisation, die sich ausschliesslich und umfassend für die Regenwälder weltweit einsetzt. So kam die Idee, eine eigene Regenwaldschutzorganisation aufzubauen. Mit einigen Mitstreiter*innen gründeten wir vor fünf Jahren GREEN BOOTS.

ANMERKUNGEN

1.) Tropical Forest Loss Drops Steeply in Brazil and Colombia, but High Rates Persist Overall. Global Forest Review, updated April 4, 2024. Washington, DC: World Resources Institute. www.research.wri.org/gfr/ latest-analysis-deforestation-trends.

2.)  WWF (2020): Importierte Abholzung: Wie in die Schweiz eingeführte Rohstoffe die Entwaldung im Ausland vorantreiben

3.)  WWF (2023): Den Wald vor lauter Bäumen sehen: Ein Praxisleifaden für Finanzinstitute, um Massnahmen gegen Abholzung und Zerstörung von Lebensräumen zu ergreifen. Schweizer Ausgabe. Patel, K.,
Hess, R., World Wide Fund for Nature, Gland, Schweiz.

4.)  Forests & Finance dataset (2022). www.forestsandfinance.org

 

GREEN BOOTS – RAINFORESTS FOR OUR FUTURE


GREEN BOOTS widmet sich dem Schutz der tropischen Regenwälder weltweit. Als gemein­ nützige Organisation unterstützt GREEN BOOTS Regenwaldschutzprojekte vor Ort, bringt den Menschen in der Schweiz das Ökosystem Regenwald und seine Bedeutung näher und engagiert sich politisch für die Anliegen des Regenwaldschutzes.

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Simona Kobel ist Biologin, arbeitet als Co­Geschäftsleiterin bei Acker Schweiz und engagiert sich ehrenamtlich als Vorstands­ präsidentin bei GREEN BOOTS.

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